Gerichtsurteil: Reiterfahrung ist keine Expertise für die Anlage von Reitplätzen
- pferdewelten
- 30. Okt. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Okt. 2024
Überraschendes Urteil des OLG Celle: 41 Jahre im Sattel machen eine Richterin nicht zur Allround-Pferde-Expertin.

21. Oktober 2024 – Für Pferdebesitzer, die vor Gericht um den Bau eines Reitplatzes streiten, kann es enttäuschend sein: Auch langjährige Reiterfahrung qualifiziert eine Richterin nicht als Expertin für Reitplatzbau.
Das entschied das Oberlandesgericht Celle und hob damit ein Urteil des Landgerichts Hannover auf, bei dem eine erfahrene Richterin ihre 41 Jahre Reiterfahrung gegen die Einschätzung eines Sachverständigen gestellt hatte.
Der Streit um den Reitplatz: Mängel und verweigerte Zahlung
Der Fall begann, als ein Pferdebesitzer sich weigerte, den Baupreis von 11.667,90 Euro für einen neuen Reitplatz zu zahlen. Der Grund: Der Platz entsprach nicht den Erwartungen, da der verwendete Sand als ungeeignet für sicheres Reiten erschien und ein Gullydeckel nicht abgesenkt wurde, was als gefährlich für Pferd und Reiter bewertet wurde.
Die beauftragte Baufirma klagte auf Zahlung des Werklohns, und ein Sachverständiger bestätigte die Mängel an Sand und Konstruktion.
Selbstversuch auf dem Reitplatz: Richterin setzt auf eigene Erfahrung
Vor der Zivilkammer des Landgerichts Hannover ging die vorsitzende Richterin ungewöhnliche Wege: Sie überprüfte den Reitplatz persönlich, ritt mit ihrem Pferd Hippie über den Sand und befand den Platz für ausreichend sicher und stabil.
In ihrem Urteil widersprach sie dem Sachverständigen und stellte fest: „Der Sand weist eine hinreichende Trittfestigkeit auf.“
Die Kammer betonte, dass die Vorsitzende als erfahrene Reiterin und Trägerin verschiedener Reitabzeichen über besondere Sachkunde verfüge.
Oberlandesgericht widerspricht: „Reiterfahrung ersetzt keine Baukompetenz“
Doch das Oberlandesgericht Celle entschied anders und hob das Urteil auf. Die Richter dort erklärten, dass jahrelange Reiterfahrung und das Beherrschen von Prüfungen im Reitsport nicht ausreichen, um die komplexen technischen Anforderungen an Reitplätze zu beurteilen.
Die Entscheidung war eindeutig: „41 Jahre Reiterfahrung qualifizieren nicht zur Beurteilung der Trittfestigkeit von Reitplatzsand,“ so das Urteil. Die OLG-Richter folgten stattdessen den Ausführungen des Sachverständigen, der klar darlegte, dass der verwendete Sand keine ausreichende Reitsand-Qualität aufwies und die Trittfestigkeit sowie Sicherheit nicht gewährleistet waren.
Auch die unterlassene Absenkung des Gullydeckels stellte nach seiner Aussage ein Sicherheitsrisiko dar.
Konsequenzen für den Auftraggeber: Klage der Baufirma abgewiesen
Mit dieser Entscheidung wurde die Klage der Baufirma endgültig abgewiesen. Der Auftraggeber muss den Werklohn nicht zahlen, da das Gericht die Bauarbeiten als mangelhaft bewertete.
Der Fall zeigt eindrücklich, dass auch erfahrene Reiter bei Baufragen letztlich auf Experten angewiesen sind – und das Vertrauen auf den richtigen Sand mehr wert ist als der eigene Sitz im Sattel.
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