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Roms Pferde: Sensationsfund beim Wohnungsbau in Stuttgart

Ein Neubauprojekt in Bad Cannstatt legt ein jahrtausendealtes Geheimnis frei – und wirft ein neues Licht auf die Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Archäologe legt Pferdeskelett frei
(Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ArchaeoBW)

Was als Routinegrabung bei einem Bauprojekt begann, entpuppte sich als archäologische Sensation: In Stuttgart-Bad Cannstatt stießen Archäologen auf den größten römerzeitlichen Pferdefriedhof Süddeutschlands.


Über 100 Pferdeskelette, die auf das 2. Jahrhundert nach Christus datiert werden, wurden freigelegt – ein stilles Vermächtnis römischer Reiterei in der Region. Und es ist ein Fund, der auch sonst überraschende Einblicke gewährt.


Die „Ala“ von Bad Cannstatt – eine Reitereinheit mit über 700 Pferden


Die Tiere gehörten zur sogenannten „Ala“, einer römischen Reitereinheit, die damals in der Region Hallschlag stationiert war. Historiker gehen von rund 500 Reitern und mehr als 700 Pferden aus – ein riesiger Bestand, der stetig gepflegt und ersetzt werden musste.


Starben Tiere, wurden sie sorgfältig außerhalb von Kastell und Zivilsiedlung beigesetzt – etwa 400 Meter entfernt, auf einem eigens dafür vorgesehenen Gelände.

Das Ausgrabungsgebiet
(Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ArchaeoBW)

Kein Massengrab: Der Tod kam schleichend, nicht in der Schlacht


Was die Ausgrabung besonders macht: Es handelt sich nicht um ein Massengrab nach einer Schlacht oder Seuche. Die Pferde starben über Jahrzehnte hinweg – durch Krankheiten, Verletzungen oder schlicht wegen ihres Alters.


Viele wurden wohl direkt vor Ort getötet, wenn sie nicht mehr einsatzfähig waren – ein pragmatischer Umgang mit den treuen Reittieren der Antike.


Abschied mit Krug und Öllampe – ein Pferd wurde wie ein Mensch bestattet


Ein Fund sticht besonders heraus: Ein Pferd wurde mit zwei Krügen und einer Öllampe in der „Armbeuge“ bestattet – typische Grabbeigaben für Menschen. Eine rührende Geste, die auf eine tiefe Bindung zwischen Tier und Mensch schließen lässt. Selbst nach fast 2000 Jahren ist die Trauer des Besitzers noch greifbar.


Mitten zwischen den Pferden entdeckten die Archäologen auch ein menschliches Skelett – bauchliegend, ohne Grabbeigaben. Kein reguläres Grab, kein Zeichen von Ehre. Archäologin Sarah Roth vermutet: Hier wurde ein gesellschaftlicher Außenseiter beerdigt – verstoßen, vergessen, vergraben zwischen den Tieren.

Ausgegrabenes Pferdeskelett
(Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ArchaeoBW)

Archäologie der Tiere: Was uns diese Pferde noch erzählen werden


Die Ausgrabung endet – aber die Forschung beginnt jetzt erst richtig. Wissenschaftler hoffen, durch archäozoologische Analysen mehr über die Pferde zu erfahren: Ihr Alter, ihre Herkunft, ihre Haltung – und ihre Rolle in der römischen Armee.


Besonders spannend: Wurden die Tiere importiert oder in der Region gezüchtet? Eine brisante Frage in einer Stadt, deren Name selbst auf Pferdezucht hinweist: Stuttgart – der „Stutengarten“.


Mit diesem Fund bekommt das römische Bad Cannstatt ein neues Kapitel in seiner langen Geschichte – eines, das nicht von Kaisern und Legionen erzählt, sondern von den Tieren, die ihre Last trugen. Die Pferdefriedhof von Stuttgart ist ein stiller Zeuge einer Vergangenheit, in der nicht nur Menschen Geschichte schrieben.


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